Freitag, 22. November 2013

1. VATIKANISCHES Konzil (1869-1870)

Kap. 1. Gott der Schöpfer aller Dinge


Die heilige katholische apostolische Römische Kirche glaubt und bekennt, daß ein wahrer und lebendiger Gott ist, Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermeßlich, unbegreiflich, an Vernunft und Willen sowie jeglicher Vollkommenheit unendlich; da er eine einzige, gänzlich einfache und unveränderliche geistige Substanz ist, ist er als der Sache und dem Wesen nach von der Welt verschieden zu verkünden, als in sich und aus sich vollkommen selig und über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann, unaussprechlich erhabe.
Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und „allmächtigen Kraft" - nicht um seine Seligkeit zu vermehren, noch um <Vollkommenheit> zu erwerben, sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er den Geschöpfen gewährt - aus völlig freiem Entschluß „vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht" [4. Konzil im Lateran].
Alles aber, was er geschaffen hat, schützt und lenkt Gott durch seine Vorsehung, „sich kraftvoll von einem Ende bis zum anderen erstreckend und alles milde ordnend" [Weish 8,1]. „Alles nämlich ist nackt und bloß vor seinen Augen" [Hebr 4,13], auch das, was durch die freie Tat der Geschöpfe geschehen wird.



Kap. 2. Die Offenbarung


Dieselbe heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden kann; „das Unsichtbare an ihm wird nämlich seit der Erschaffung der Welt durch das, was gemacht ist, mit der Vernunft geschaut [Röm 1,20]: jedoch hat es seiner Weisheit und Güte gefallen, auf einem anderen, und zwar übernatürlichen Wege sich selbst und die ewigen Ratschlüsse seines Willens dem Menschengeschlecht zu offenbaren, wie der Apostel sagt: „Oftmals und auf vielfache Weise hat Gott einst zu den Vätern in den Propheten gesprochen: zuletzt hat er in diesen Tagen zu uns gesprochen in seinem Sohn" [Hebr 1,1f;].

Zwar ist es dieser göttlichen Offenbarung zuzuschreiben, daß das, was an den göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch bei der gegenwärtigen Verfaßtheit des Menschengeschlechtes von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden kann1. Jedoch ist die Offenbarung nicht aus diesem Grund unbedingt notwendig zu nennen, sondern weil Gott aufgrund seiner unendlichen Güte den Menschen auf ein übernatürliches Ziel hinordnete, nämlich an den göttlichen Gütern teilzuhaben, die das Erkenntnisvermögen des menschlichen Geistes völlig übersteigen; denn „kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört, noch ist in das Herz eines Menschen gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" [1 Kor 2,9;]. 

Diese übernatürliche Offenbarung ist nun nach dem vom heiligen Konzil von Trient erklärten Glauben der gesamten Kirche enthalten „in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen überlieferungen, die, von den Aposteln aus dem Munde Christi selbst empfangen oder von den Aposteln selbst auf Diktat des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand weitergegeben, bis auf uns gekommen sind". Und zwar sind diese Bücher des Alten und Neuen Testamentes vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie im Dekret desselben Konzils aufgezählt werden und in der alten lateinischen Vulgata-Ausgabe enthalten sind, als heilig und kanonisch anzunehmen. Die Kirche hält sie aber nicht deshalb für heilig und kanonisch, weil sie allein durch menschlichen Fleiß zusammengestellt und danach durch ihre Autorität gutgeheißen worden wären; genaugenommen auch nicht deshalb, weil sie die Offenbarung ohne Irrtum enthielten; sondern deswegen, weil sie, auf Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche selbst übergeben worden sind. 

Da aber, was das heilige Konzil von Trient über die Auslegung der göttlichen Schrift zur Zügelung leichtfertiger Geister heilsam beschlossen hat, von manchen Menschen verkehrt dargestellt wird, erneuern Wir ebendieses Dekret und erklären, daß dies sein Sinn ist: In Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, ist jener als der wahre Sinn der heiligen Schrift anzusehen, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält, deren Aufgabe es ist, über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen; und deshalb ist es niemandem erlaubt, die heilige Schrift gegen diesen Sinn oder auch gegen die einmütige übereinstimmung der Väter auszulegen.

Kap. 3. Der Glaube


Da der Mensch ganz von Gott als seinem Schöpfer und Herrn abhängt und die geschaffene Vernunft der ungeschaffenen Wahrheit völlig unterworfen ist, sind wir gehalten, dem offenbarenden Gott im Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und des Willens zu leisten. Dieser Glaube aber, der der Anfang des menschlichen Heiles ist, ist nach dem Bekenntnis der katholischen Kirche eine übernatürliche Tugend, durch die wir mit Unterstützung und Hilfe der Gnade Gottes glauben, daß das von ihm Geoffenbarte wahr ist, nicht <etwa> wegen der vom natürlichen Licht der Vernunft durchschauten inneren Wahrheit der Dinge, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann. „Der Glaube ist nämlich" nach dem Zeugnis des Apostels „die Gewißheit zu erhoffender Dinge, der Beweis des nicht Sichtbaren" [Hebr 11,1].  

Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend [Röm 12,1] sei, wollte Gott, daß mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden, nämlich göttliche Taten und vor allem Wunder und Weissagungen, die, da sie Gottes Allmacht und unendliches Wissen klar und deutlich zeigen, ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung sind [Kan. 3 und 4]. Deshalb haben sowohl Moses und die Propheten als auch vor allem Christus, der Herr, selbst viele und ganz offensichtliche Wunder und Weissagungen getan; und von den Aposteln lesen wir: „Jene aber brachen auf und predigten überall; der Herr wirkte mit <ihnen> und bestätigte ihre Rede durch nachfolgende Zeichen" [Mk 16,20]. Und wiederum steht geschrieben: „Wir haben ein noch festeres Prophetenwort: ihr tut gut daran, darauf zu achten wie auf ein leuchtendes Licht an finsterem Ort" [2 Petr 1,19]. 

Wenn aber auch die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist, so kann dennoch niemand „der Verkündigung des Evangeliums zustimmen", wie es nötig ist, um das Heil zu erlangen, „ohne die Erleuchtung und Einhauchung des Heiligen Geistes, der allen die Freude verleiht, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben" [2. Synode von Orange]. Deshalb ist der Glaube selbst in sich, auch wenn er nicht durch die Liebe wirkt [Gal 5,6], ein Geschenk Gottes, und sein Akt ist ein das Heil betreffendes Werk, durch das der Mensch Gott selbst freien Gehorsam leistet, indem er seiner Gnade, der er widerstehen könnte, zustimmt und mit ihr wirkt [vgl. DH 1525f; Kan. 5].

Mit göttlichem und katholischem Glauben ist ferner all das zu glauben, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche - sei es in feierlicher Entscheidung oder kraft ihres gewöhnlichen und allgemeinen Lehramtes - als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird. 

Weil es aber „ohne Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen" [Hebr 11,6] und zur Gemeinschaft seiner Söhne zu gelangen, so wurde niemandem jemals ohne ihn Rechtfertigung zuteil, und keiner wird das ewige Leben erlangen, wenn er nicht in ihm ausgeharrt hat bis ans Ende" [Mt 10,22; 24,13]. Damit wir aber der Pflicht, den wahren Glauben zu umfassen und in ihm beständig zu verharren, Genüge tun könnten, hat Gott durch seinen einziggeborenen Sohn die Kirche eingesetzt und so mit offensichtlichen Kennzeichen seiner Einsetzung ausgestattet, daß sie als Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes von allen erkannt werden kann. 

Allein auf die katholische Kirche nämlich erstreckt sich all das, was göttlicherseits zur einsichtigen Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens so vielfältig und so wunderbar angeordnet wurde. Ja, auch die Kirche selbst ist durch sich - nämlich wegen ihrer wunderbaren Ausbreitung, außerordentlichen Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit an allem Guten, wegen ihrer katholischen Einheit und unbesiegten Beständigkeit - ein mächtiger und fortdauernder Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen Sendung.

So kommt es, daß sie als Zeichen, das aufgerichtet ist für die Völker [ Jes 11,12], sowohl <jene> zu sich einlädt, die noch nicht geglaubt haben, als auch ihren Kindern die Gewißheit verleiht, daß der Glaube, den sie bekennen, sich auf eine unerschütterliche Grundlage stützt. Zu diesem Zeugnis tritt nun die wirksame Hilfe aus der Kraft von oben. Denn der überaus gütige Herr erweckt die Irrenden durch seine Gnade und hilft ihnen, damit sie „zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" [1 Tim 2,4] können, und stärkt die, welche er aus der Finsternis in sein wunderbares Licht versetzt hat [1 Petr 2,9; Kol 1,13], mit seiner Gnade, damit sie in ebendiesem Lichte verharren, sie nicht verlassend, wenn er nicht verlassen wird. 

Deshalb ist die Lage derer, die sich durch das himmlische Geschenk des Glaubens der katholischen Wahrheit angeschlossen haben, und derer, die, geführt von menschlichen Meinungen, einer falschen Religion folgen, keineswegs gleich; jene nämlich, die den Glauben unter dem Lehramt der Kirche angenommen haben, können niemals einen triftigen Grund haben, ebendiesen Glauben zu wechseln oder in Zweifel zu ziehen. Da dies so ist, sollen wir, „Gott, dem Vater, Dank sagend, der uns würdig gemacht hat, teilzuhaben am Los der Heiligen im Licht" [Kol 1,12], solch großes Heil nicht geringachten [Hebr 2,3], sondern „auf Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens, hinblickend" [Hebr 12,2] „das unbeugsame Bekenntnis unserer Hoffnung festhalten" [Hebr 10,23].

Kap. 4. Glaube und Vernunft
   
Auch dies hielt und hält das fortwährende Einverständnis der katholischen Kirche fest, daß es eine zweifache Ordnung der Erkenntnis gibt, die nicht nur im Prinzip, sondern auch im Gegenstand verschieden ist: und zwar im Prinzip, weil wir in der einen <Ordnung> mit der natürlichen Vernunft, in der anderen mit dem göttlichen Glauben erkennen; im Gegenstand aber, weil uns außer dem, wozu die natürliche Vernunft gelangen kann, in Gott verborgene Geheimnisse zu glauben vorgelegt werden, die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart wären, nicht bekannt werden könnten.

Deshalb sagt der Apostel, der bezeugt, daß Gott von den Völkern „durch das, was gemacht ist" [Röm 1,20], erkannt worden sei, indem er dennoch über die Gnade und Wahrheit, die durch Jesus Christus geworden ist [Joh 1,17], handelt: „Wir reden im Geheimnis von Gottes Weisheit, die verborgen ist, die Gott vor den Zeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmte, die niemand von den Fürsten dieser Welt erkannt hat. Uns aber hat <sie> Gott durch seinen Geist geoffenbart: Der Geist erforscht nämlich alles, auch die Tiefen Gottes" [1 Kor 2,7f 10]. Und der Einziggeborene selbst preist den Vater, weil er dies vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Kleinen geoffenbart hat [Mt 11,25].

Zwar erlangt die vom Glauben erleuchtete Vernunft, wenn sie fleißig, fromm und nüchtern forscht, sowohl aufgrund der Analogie mit dem, was sie auf natürliche Weise erkennt, als auch aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander und mit dem letzten Zweck des Menschen mit Gottes Hilfe eine gewisse Erkenntnis der Geheimnisse, und zwar eine sehr fruchtbare; niemals wird sie jedoch befähigt, sie genauso zu durchschauen wie die Wahrheiten, die ihren eigentlichen <Erkenntnis>gegenstand ausmachen. Denn die göttlichen Geheimnisse übersteigen ihrer eigenen Natur nach so den geschaffenen Verstand, daß sie, auch wenn sie durch die Offenbarung mitgeteilt und im Glauben angenommen wurden, dennoch mit dem Schleier des Glaubens selbst bedeckt und gleichsam von einem gewissen Dunkel umhüllt bleiben, solange wir in diesem sterblichen Leben „ferne vom Herrn pilgern: im Glauben nämlich wandeln wir und nicht im Schauen" [2 Kor 5,6f].

Aber auch wenn der Glaube über der Vernunft steht, so kann es dennoch niemals eine wahre Unstimmigkeit zwischen Glauben und Vernunft geben [vgl. DH 2776 DH 2811]: denn derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingießt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt; Gott aber kann sich nicht selbst verleugnen, noch <kann> jemals Wahres Wahrem widersprechen. Der unbegründete Anschein eines solchen Widerspruchs aber entsteht vor allem daraus, daß entweder die Lehrsätze des Glaubens nicht im Sinne der Kirche verstanden und erläutert wurden oder Hirngespinste für Aussagen der Vernunft gehalten werden. „Wir definieren" also, daß jede der Wahrheit des erleuchteten Glaubens entgegengesetzte Behauptung völlig falsch ist" [5. Konzil im Lateran]. 

Weiter hat die Kirche, die zusammen mit dem apostolischen Amt der Lehre den Auftrag empfangen hat, die Hinterlassenschaft des Glaubens zu hüten, von Gott auch das Recht und die Pflicht, Erkenntnis", die fälschlich diesen Namen trägt [Tim 6,20], zu ächten, damit keiner durch Philosophie und eitlen Trug getäuscht werde [Kol 2,8; Kan. 2].

Deswegen ist nicht nur allen gläubigen Christen verboten, solche Meinungen, von denen man erkennt, daß sie der Lehre des Glaubens entgegengesetzt sind - vor allem, wenn sie von der Kirche verworfen wurden -, als rechtmäßige Folgerungen der Wissenschaft zu verteidigen, sondern sie sind vielmehr durchaus verpflichtet, sie für Irrtümer zu halten, die den trügerischen Schein von Wahrheit vor sich hertragen.

Auch können Glaube und Vernunft nicht nur niemals untereinander unstimmig sein, sondern sie leisten sich auch wechselseitig Hilfe; denn die rechte Vernunft beweist die Grundlagen des Glaubens und bildet, von seinem Licht erleuchtet, die Wissenschaft von den göttlichen Dingen aus; der Glaube aber befreit und schützt die Vernunft vor Irrtümern und stattet sie mit vielfacher Erkenntnis aus.

Deswegen ist es weit gefehlt, daß die Kirche der Pflege der menschlichen Künste und Wissenschaften Widerstand leiste; vielmehr unterstützt und fördert sie diese auf vielfache Weise. Denn weder verkennt noch verachtet sie die Vorteile, die aus ihnen für das Leben der Menschen entspringen; vielmehr räumt sie ein: wie sie von Gott, dem Herrn der Wissenschaften [1 Sam 2,3], ausgegangen sind, so führen sie, wenn sie in rechter Weise ausgeübt werden, mit Hilfe seiner Gnade zu Gott hin.

Auch verbietet sie keineswegs, daß diese Wissenschaften in ihrem jeweiligen Bereich ihre eigenen Prinzipien und ihre eigene Methode anwenden; diese gerechtfertigte Freiheit anerkennend, achtet sie aber eifrig darauf, daß sie nicht der göttlichen Lehre widerstreiten und so Irrtümer in sich aufnehmen oder in überschreitung ihrer eigenen Grenzen das, was des Glaubens ist, in Beschlag nehmen und durcheinanderbringen.

Die Lehre des Glaubens, die Gott geoffenbart hat, wurde nämlich nicht wie eine philosophische Erfindung den menschlichen Geistern zur Vervollkommnung vorgelegt, sondern als göttliche Hinterlassenschaft der Braut Christi anvertraut, damit sie treu gehütet und unfehlbar erklärt werde. Daher ist auch immerdar derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und Namen einer höheren Einsicht abzuweichen [Kan. 3]. So wachse denn und gedeihe in reichem und starkem Maße im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte Erkenntnis, Wissenschaft und Weisheit sowohl in einem jeden als auch allen, sowohl im einzelnen Menschen als auch in der ganzen Kirche: aber lediglich der ihnen zukommenden Weise, nämlich in derselben Lehre, demselben Sinn und derselben Auffassung".

Kanones

1. Gott, der Schöpfer aller Dinge 

1. Si quis unum verum Deum visibilium et invisibilium creatorem et Dominum negaverit: anathema sit
1. Wer den einen wahren Gott, den Schöpfer und Herrn des Sichtbaren und Unsichtbaren, leugnet: der sei mit dem Anathema belegt.

2. Si quis praeter materiam nihil esse affirmare non erubuerit: anathema sit 
2. Wer sich nicht scheut zu behaupten, es gebe nichts außer Materie: der sei mit dem Anathema belegt.
3. Si quis dixerit, unam eandemque esse Dei et rerum omnium substantiam vel essentiam: anathema sit 
3. Wer sagt, die Substanz oder Wesenheit Gottes und aller Dinge sei ein und dieselbe: der sei mit dem Anathema belegt   

 4. Si quis dixerit, res finitas tum corporeas tum spirituales aut saltem spirituales e divina substantia emanasse, aut divinam essentiam sui manifestatione vel evolutione fieri omnia, aut denique Deum esse ens universale seu indefinitum, quod sese determinando constituat rerum universitatem in genera, species et individua distinctam: anathema sit.   
4. Wer sagt, die endlichen Dinge - sowohl die körperlichen als auch die geistigen oder wenigstens die geistigen - seien aus der göttlichen Substanz ausgeflossen, oder die göttliche Wesenheit werde durch Offenbarung oder Entwicklung ihrer selbst alles, oder schließlich, Gott sei das allgemeine bzw. unbestimmte Seiende, das, sich selbst bestimmend, die in Arten, Gattungen und Einzelwesen unterschiedene Gesamtheit der Dinge bildet: der sei mit dem Anathema belegt.
   
5. Si quis non confiteatur, mundum resque omnes, quae in eo continentur, et spirituales et materiales secundum totam suam substantiam a Deo ex nihilo esse productas, aut Deum dixerit non voluntate ab omni necessitate libera, sed tam necessario creasse, quam necessario amat se ipsum, aut mundum ad Dei gloriam conditum esse negaverit: anathema sit.
5. Wer nicht bekennt, daß die Welt und alle Dinge, die in ihr enthalten sind - sowohl die geistigen als auch die materiellen -, ihrem ganzen Wesen nach von Gott aus nichts hervorgebracht wurden, oder sagt, Gott habe nicht durch seinen von jeder Notwendigkeit freien Willen, sondern so notwendig geschaffen, wie er sich selbst notwendig liebt, oder leugnet, daß die Welt zur Ehre Gottes geschaffen ist: der sei mit dem Anathema belegt.

2. Die Offenbarung

1. Si quis dixerit, Deum unum et verum, creatorem et Dominum nostrum, per ea, quae facta sunt, naturali rationis humanae lumine certo cognosci non posse: anathema sit.
1. Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, könne nicht durch das, was gemacht ist, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft sicher erkannt werden: der sei mit dem Anathema belegt.

2. Si quis dixerit, fieri non posse aut non expedire, ut per revelationem divinam homo de Deo cultuque ei exhibendo doceatur: anathema sit.
2. Wer sagt, es sei unmöglich oder unnütz, daß der Mensch durch die göttliche Offenbarung über Gott und die ihm zu erweisende Verehrung belehrt werde: der sei mit dem Anathema belegt.
   
3. Si quis dixerit, hominem ad cognitionem et perfectionem, quae naturalem superet, divinitus evehi non posse, sed ex se ipso ad omnis tandem veri et boni possessionem iugi profectu pertingere posse et debere: anathema sit.
3. Wer sagt, der Mensch könne nicht von Gott zu einer Erkenntnis und Vollkommenheit emporgehoben werden, die die natürliche übertrifft, sondern könne und müsse aus sich selbst in beständigem Fortschritt schließlich zum Besitz alles Wahren und Guten gelangen: der sei mit dem Anathema belegt.
    

4. Si quis sacrae Scripturae libros integros cum omnibus suis partibus, prout illos sancta Tridentina Synodus recensuit, pro sacris et canonicis non susceperit aut eos divinitus inspiratos esse negaverit: anathema sit 
4. Wer die Bücher der heiligen Schrift nicht vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie das heilige Konzil von Trient aufgezählt hat, als heilig und kanonisch annimmt oder leugnet, daß sie von Gott inspiriert sind: der sei mit dem Anathema belegt .
   

3. Der Glaube

1. Si quis dixerit, rationem humanam ita independentem esse, ut fides ei a Deo imperari non possit: anathema sit.
1. Wer sagt, die menschliche Vernunft sei so unabhängig, daß ihr der Glaube von Gott nicht befohlen werden könne: der sei mit dem Anathema belegt.
    
2. Si quis dixerit, fidem divinam a naturali de Deo et rebus moralibus scientia non distingui, ac propterea ad fidem divinam non requiri, ut revelata veritas propter auctoritatem Dei revelantis credatur: anathema sit.
2. Wer sagt, der göttliche Glaube unterscheide sich nicht vom natürlichen Wissen über Gott und die sittlichen Dinge, und deswegen sei es für den göttlichen Glauben nicht erforderlich, daß die geoffenbarte Wahrheit wegen der Autorität des offenbarenden Gottes geglaubt werde: der sei mit dem Anathema belegt.

3. Si quis dixerit, revelationem divinam externis signis credibilem fieri non posse, ideoque sola interna cuiusque experientia aut inspiratione privata homines ad fidem moveri debere: anathema sit . 
3. Wer sagt, die göttliche Offenbarung könne nicht durch äußere Zeichen glaubhaft gemacht werden, und deshalb müßten die Menschen allein durch die innere Erfahrung eines jeden oder durch persönliche Eingebung zum Glauben bewegt werden: der sei mit dem Anathema belegt . 

4. Si quis dixerit, miracula nulla fieri posse, proindeque omnes de iis narrationes, etiam in sacra Scriptura contentas, inter fabulas vel mythos ablegandas esse; aut mira- cula certo cognosci numquam posse nec iis divinam religionis christianae originem rite probari: anathema sit .
 4. Wer sagt, es könnten keine Wunder geschehen und daher seien alle Erzählungen darüber - auch die in der heiligen Schrift enthaltenen - unter die Fabeln oder Mythen zu verweisen; oder Wunder könnten niemals sicher erkannt werden und durch sie werde der göttliche Ursprung der christlichen Religion nicht zurecht bewiesen: der sei mit dem Anathema belegt .5. Si quis dixerit, assensum fidei christianae non esse liberum, sed argumentis humanae rationis necessario produci; aut ad solam fidem vivam, quae per caritatem operatur [Gal 5,6], gratiam Dei necessariam esse: anathema sit .
5. Wer sagt, die Zustimmung zum christlichen Glauben sei nicht frei, sondern werde durch Beweise der menschlichen Vernunft notwendig hervorgebracht; oder die Gnade Gottes sei allein zum lebendigen Glauben, der durch die Liebe wirkt [Gal 5,6], notwendig: der sei mit dem Anathema belegt.
 
6. Si quis dixerit, parem esse condicionem fidelium atque eorum, qui ad fidem unice veram nondum pervenerunt, ita ut catholici iustam causam habere possint fidem, quam sub Ecclesiae magisterio iam susceperunt, assensu suspenso in dubium vocandi, donec demonstrationem scientificam credibilitatis et veritatis fidei suae absolverint: anathema sit .
6. Wer sagt, die Lage der Gläubigen und derer, die noch nicht zum einzig wahren Glauben gelangt sind, sei gleich, so daß Katholiken einen triftigen Grund haben können, den Glauben, den sie unter dem Lehramt der Kirche schon angenommen haben, nach Aufhebung der Zustimmung in Zweifel zu ziehen, bis sie einen wissenschaftlichen Beweis für die Glaubwürdigkeit und Wahrheit ihres Glaubens erbracht haben: der sei mit dem Anathema belegt .

4. Glaube und Vernunft


1. Si quis dixerit, in revelatione divina nulla vera et proprie dicta mysteria contineri, sed universa fidei dogmata posse per rationem rite excultam e naturalibus principiis intelligi et demonstrari: anathema sit. 
1. Wer sagt, in der göttlichen Offenbarung seien keine wahren Geheimnisse im eigentlichen Sinne enthalten, sondern die gesamten Lehrsätze des Glaubens könnten durch eine recht unterwiesene Vernunft aus natürlichen Prinzipien verstanden und bewiesen werden: der sei mit dem Anathema belegt.
   

2. Si quis dixerit, disciplinas humanas ea cum libertate tractandas esse, ut earum assertiones, etsi doctrinae revelatae adversentur, tamquam verae retineri neque ab Ecclesia proscribi possint: anathema sit.
2. Wer sagt, die menschlichen Wissenschaften seien mit einer solchen Freiheit auszuüben, daß ihre Behauptungen, auch wenn sie der geoffenbarten Lehre widerstreiten, als wahr festgehalten und von der Kirche nicht verworfen werden können: der sei mit dem Anathema belegt.
   

3. Si quis dixerit, fieri posse, ut dogmatibus ab Ecclesia propositis aliquando secundum progressum scientiae sensus tribuendus sit alius ab eo, quem intellexit et intelligit Ecclesia: anathema sit.
3. Wer sagt, es könne geschehen, daß den von der Kirche vorgelegten Lehrsätzen einmal entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft ein anderer Sinn zuzuschreiben sei als der, den die Kirche gemeint hat und meint: der sei mit dem Anathema belegt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen